Dr. Jane Ayeko-Kümmeth sitzt im Garten. Ihre Hände sind zu einer erklärenden Geste geöffnet. Sie trägt eine rote Brille und ein rot-schwarzes Kleid.

Vorbild ohne Vorbilder

Dr. Jane Ayeko-Kümmeth kam aus Uganda nach Deutschland. Sie ist Politologin, Journalistin, Netzwerkerin. Und sie ermutigt und unterstützt afrikanische Frauen und Mädchen in ihrer neuen und alten Heimat, eine Ausbildung zu machen, ihren Wunschberuf zu finden, selbstständig und selbstbestimmt zu leben. Den Weg aus Armut und Abhängigkeit kann sie glaubhaft vermitteln, denn einst hat sie ihn sich selbst gebahnt. Ein Vorbild fehlte ihr damals. Jetzt ist sie selber eins. Lernen Sie Jane Ayeko-Kümmeth kennen! 

Dr. Jane Ayeko-Kümmeth 

... kam 1975 in Uganda zur Welt. Nach ihrem ersten Studium und langjähriger Arbeit als TV-Journalistin in ihrem Heimatland zog sie für ihre weitere akademische Ausbildung nach Deutschland. Sie machte ihren Master in Friedens- und Konfliktforschung an der Universität Magdeburg; 2015 wurde sie an der Fakultät für Kulturwissenschaften der Universität Bayreuth promoviert. Heute arbeitet sie dort als Wissenschaftliche Koordinatorin am Institut für Afrikastudien (IAS). Ehrenamtlich motiviert und unterstützt sie afrikanische Frauen in Deutschland, sich zu bilden und qualifizierte Berufe zu ergreifen. Außerdem ist Jane Ayeko-Kümmeth in der Flüchtlingshilfe aktiv. In Uganda betreibt sie Empowerment-Arbeit für Frauen und Jugendliche. Jane Ayeko-Kümmeth ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne. 

Porträtfoto: Dr. Jane Ayeko-Kümmeth.

Dr. Jane Ayeko-Kümmeth ermutigt afrikanische Frauen und Jugendliche in ihrer alten und neuen Heimat als Role Model und unterstützt sie auf dem Weg zum beruflichen Erfolg. 

Kurz erklärt! Ein Role Model ist ein Mensch, dessen Haltung, Verhalten und Leistung sich andere gern zum Vorbild nehmen, zum Beispiel in der Ausbildung, im Beruf oder im Einsatz für andere. Empowerment bedeutet: anderen Menschen helfen, ihre Stärken zu erkennen und für sich zu nutzen, selbstständig und selbstbestimmt.

 

Das Leben von Dr. Jane Ayeko-Kümmeth, das 1975 in Uganda begann, ist wie ein dickes Buch voll packender Geschichten. Die einzelnen Kapitel scheinen von verschiedenen Händen verfasst. Das erste Kapitel beschreibt freie, glückliche Kinderjahre im Stile von Astrid Lindgrens „Bullerbü“. Das zweite eine Charles-Dickens-Kindheit in schmerzvoller Armut; Jane Ayeko-Kümmeth steigen die Tränen in die Augen, wenn sie es aufschlägt. Doch schon in diesem zweiten Kapitel nimmt sie selbst den Stift in die Hand und gibt ihrer Geschichte eine neue Wendung. Bis heute schreibt sie diese Geschichte ihres Lebens fort, mit raschem, energischem Strich, denn: „Es kommt nicht vom Himmel. Du musst selbst rennen!“ 

Unbeschwert, glücklich: Bullerbü-Jahre in Uganda 

Frau Dr. Ayeko-Kümmeth, nehmen Sie uns mit ins Dorf Ihrer Kindheit, in den Bezirk Pallisa im Osten von Uganda? Die Wissenschaftlerin lacht. „Die Gegend ist flach und ländlich; damals war sie sehr grün und reich an allem, was man brauchte“, schildert sie, und ihr Gesicht wird ganz weich. „Der Lake Nyasala ganz in der Nähe war voller Fische. Jeden Tag kam ein Fischer mit einem großen Sack und schüttete seinen Fang auf einen Tisch. Alle Kinder konnten sich den Fisch aussuchen, den sie gebraten haben wollten.“ 

Auf einen Blick: Uganda

Uganda liegt im östlichen Subsahara-Afrika, genau auf Äquatorhöhe, zwischen Südsudan, Kenia, Tansania, Ruanda und der Demokratischen Republik Kongo. Die Hauptstadt ist Kampala. 1962 wurde die britische Kolonie unabhängig. Heute leben auf einer Fläche von gut 240.000 qkm rund 48 Millionen Menschen. Zwei Drittel der Bevölkerung besiedeln den ländlichen Raum und ernähren sich von der Landwirtschaft. Uganda gehört zu den ärmsten Ländern der Welt; die Bevölkerungszahl nimmt sehr schnell zu, auch durch Flüchtlingsbewegungen. Winston Churchill nannte das Land „die Perle von Afrika“. In Uganda gibt es Savanne und Regenwald; Nationalparks bewahren den großen Artenreichtum. Hier finden Sie aktuelle Zahlen & Fakten aus Uganda sowie Infos über die politische Situation in Uganda und den Bürgerkrieg in Nord-Uganda

Eine Karte Ugandas.

Uganda hat keinen Zugang zum Meer. Doch auf ugandischem Gebiet liegt ein Teil des größten Süßwassersees der Welt: des Lake Victoria. 

Schuften, rackern, kämpfen für den Schulbesuch 

Uganda in den 1970er-Jahren. Der Vater der kleinen Jane Ayeko ist ein erfolgreicher und wohlhabender Mann. Er hat drei Frauen, Janes Mutter ist die jüngste. Jane wächst mit einer Schwester und 16 Halbgeschwistern auf. Zur Arbeit in der Stadt fährt der Vater mit einem seiner beiden Autos: eine Sensation in der Gegend. „Man hörte ihn schon, wenn er noch zehn Kilometer entfernt war. Wir erkannten seine Autos am Geräusch. Und wenn wir einen anderen Motor hörten, dann wussten wir: Jetzt kommt der Leichenwagen. Denn sonst gab es keine Autos.“ Janes Vater besitzt zwei große Blockhäuser. In einem wird gekocht, im anderen gewohnt. Hier hat jede Ehefrau ein Zimmer, es gibt ein Wohnzimmer und einen Raum, in dem die Kinder spielen. Im Laufe der Jahre wachsen immer mehr Hütten rund ums Zentrum der Familiensiedlung: Jedes erwachsene Kind bekommt eine eigene. 

Familienfoto: Vater, Mutter und ein kleines Mädchen.

Überall auf der Welt waren Familienfotos früher eine ernste Sache. Das Bild zeigt die kleine Jane Ayeko mit ihren Eltern. 

 „Jede Familie hatte Bäume, mit Papayas, Orangen, Guaven, Cashews“, erzählt Jane Ayeko-Kümmeth. „Und Erdnusspflanzen! Wir Iteso (= eine ethnische Gruppe in Uganda) essen zu allem Erdnüsse oder Erdnusssoße. Meine Familie hatte auch viele Kühe, sie grasten auf Weiden am Seeufer. Es gab immer genug zu essen. Wir Kinder dachten, das ist normal.“ 

Und dann: stirbt der Vater. In der Familie kochen Konflikte hoch, es kommt, sagt Jane Ayeko-Kümmeth, zum Streit ums Erbe. Janes Mutter, die jüngste, die dritte Ehefrau, geht leer aus. Sie kann nicht lesen und schreiben, sie hat kein Geld, keinen Besitz, nur noch ein Feld und zwei Töchter. „Das“, sagt Jane Ayeko-Kümmeth heute, „war der Anfang meiner schweren Kindheit.“ Die Tochter aus wohlhabendem Hause ist plötzlich eine mittellose Halbwaise. Doch sie soll eine gute Ausbildung bekommen. Eine Halbschwester springt ein und zahlt die Schulgebühren, Jane hilft ihr dafür mit den Kindern. Die anderen Mädchen kommen dort mit großen Koffern an, gefüllt mit Kleidung und Lebensmitteln. Janes Gepäck besteht aus einem alten Pappkarton mit ein wenig Wäsche. Jane schämt sich, ist hungrig. Schließlich besteht die frühere Musterschülerin die vierte Klasse nicht und wird ins Dorf zurückgeschickt. 

Porträtfoto: Dr. Jane Ayeko-Kümmeth. Sie legt eine Hand an den Kopf und schaut nachdenklich.

Freude und Schmerz bewegen Jane Ayeko-Kümmeth, wenn sie auf ihre Kindheit zurückblickt. 

Armut fühlt sich an wie ein feuchtes Kleid 

Im Dorf steht Jane jetzt frühmorgens auf und arbeitet auf den Maniokfeldern. Anschließend läuft sie vier Kilometer zur Grundschule, barfuß, oft mit leerem Magen. Am Abend kehrt sie zurück, hebt den Wasserbehälter auf den Kopf und geht zur Wasserstelle, drei Kilometer hin, drei Kilometer zurück. Danach fällt sie ins Bett. Wenn ihr Unterhöschen nach dem Waschen noch nicht getrocknet ist, zieht sie es am nächsten Morgen trotzdem an. Sie hat nur noch eines. Die Feuchtigkeit breitet sich aus, färbt den Stoff ihres Kleids dunkel. Jane ist sicher, dass alle hingucken und das feuchte Abzeichen ihrer Armut erkennen.  

Ein Blick auf Kampala, Ugandas Hauptstadt, bei Nacht.

Kampala, die Hauptstadt von Uganda. 

Später hilft Jane ihrer Mutter, Bier zu brauen, local brew. Sie sammeln Hirse und mahlen sie mit Steinen zu Pulver, das sie rösten, einweichen und vergären. Dann verkauft Jane das Hirsebier auf der Straße. In den drei Jahren bis zur Primary Leaving Examination, der Abschlussprüfung nach der siebten Klasse, hat Jane vom Bierverkauf umgerechnet rund 10 Euro gespart. Am Markttag besorgt sie für die Prüfung ein Mathematical Set mit Zirkel, Lineal und Winkelmesser, ein Paar Plastiksandalen und einen Unterrock. Den lässt die Mutter durchgehen, doch die Flip-Flops muss Jane ausziehen. „Sie sagte: Du schaust sonst dauernd die Sandalen an und kannst dich nicht auf die Prüfung konzentrieren!“ Jane geht barfuß zur Prüfung und besteht, obwohl sie an die Sandalen denkt. „Sie waren blau“, sagt Jane Ayeko-Kümmeth und lächelt.  

„Du wirst nix ...“ 

Als Jane 14 Jahre alt ist, holt ein Halbbruder sie in seinen Haushalt nach Kampala, der Hauptstadt von Uganda. „Ich war so froh, das Dorf zu verlassen, ich dachte: Kampala ist der HIMMEL!“ Doch Jane findet sich in der Hausmädchenhölle wieder. „Mein Tag begann um 4 Uhr, ich habe Frühstück vorbereitet, die Kinder gebadet, sie in die Kita gebracht, die Hausarbeit erledigt, die Wäsche gewaschen, gebügelt, gekocht und geputzt, jeden Tag. Um 13 Uhr begann meine Schule, das waren wieder vier Kilometer, sie dauerte bis 17 Uhr, dann startete alles wieder von vorn ...“ 

Von ihrer Mutter fühlt sich Jane Ayeko-Kümmeth damals wie heute anerkannt und geliebt. Doch Role Models, Vorbilder, hat sie als Kind nicht. „Die erste Frau meines Vaters sagte mir immer wieder: Du wirst nix, du verschwendest nur das Geld meines Sohnes.“ Der Halbbruder hatte Janes Schulgebühren für drei Jahre bezahlt. Jane richtet sich gegen alle Widerstände auf, macht sich stark. „Ich wollte ihr zeigen, dass sie nicht recht hat. Ich bin in ein Hostel gezogen, habe wieder Geld verdient mit local brew und so die Unterkunft und das Schulgeld bezahlt. Wenn ich nicht mehr zahlen konnte, flog ich von der Schule und ging wieder zur Arbeit.“ Jane besteht die Prüfungen mit Ach und Krach. Doch aufgeben will sie nicht. Wieder braut sie Bier und arbeitet in den Feldern, kratzt so ihr Schulgeld für die Oberstufe zusammen. 

„Es kommt nicht vom Himmel. Du musst selbst rennen!“

Jane Joan Ayeko, TV-Journalistin! 

Jane schafft das Abitur, geht an eine private Hochschule und studiert Journalismus. Sie lernt einen jungen Mann kennen, verliebt sich. Dann macht sie ihren Abschluss. Mit dem Diplom in der Tasche findet sie Jobs, erst freiberuflich, dann fest angestellt bei einem großen ugandischen TV-Sender. In Norduganda toben seit 1987 Kämpfe zwischen der ugandischen Armee und der Lord’s Resistance Army (LRA), einer Terrormiliz, die unsägliche Verbrechen an der Bevölkerung verübt und Zehntausende Kinder verschleppt und versklavt. „Ich ging als einzige Dame an die Frontlinie“, schildert Jane-Ayeko-Kümmeth. „Dort habe ich mir einen Namen gemacht. Ich trat auf als Jane Joan Ayeko. Ich habe live in die Kamera gesprochen und mich immer wieder umgedreht, um zu sehen, woher die nächste Kugel kommt. Ich habe von dort berichtet, wo sonst niemand hinging, auch aus den Flüchtlingslagern. Ich wollte zeigen, was passiert, ich wollte das Leben der armen Leute zeigen.“  

Stark durch Bildung – und die „Girls“ 

Jane Ayeko ist eine berufstätige, selbstständige und stolze Frau geworden. Aus der Armut hat sie sich aus eigener Kraft herausgearbeitet. Sie lebt mit ihrem Freund zusammen, bekommt einen Sohn und baut ein Haus, außerhalb von Kampala. Kurz nachdem sie ihren zweiten Sohn geboren hat, erhält sie ein Stipendium der Friedrich-Ebert-Stiftung. Von dem Geld finanziert sie ein Studium am Uganda Management Institute (UMI) und erwirbt einen weiteren Abschluss. Danach arbeitet sie Vollzeit für die Morning News des TV-Senders und kümmert sich um ihre beiden Söhne. Sie spart eisern, gönnt sich nichts und sorgt dafür, dass ihre Söhne alles haben, was sie brauchen – „und ein bisschen Luxus, damit sie nicht neidisch sein müssen auf andere Kinder“. 

Porträtfoto: Dr. Jane Ayeko-Kümmeth.

Dr. Jane Ayeko-Kümmeth im Gespräch mit bayernsfrauen.de. 

2004 schreibt sich Jane Ayeko an der University of South Africa ein, studiert Kommunikationswissenschaften. Für die Seminare fliegt sie nach Südafrika. Ihr Freund ist viel unterwegs als Safari-Fahrer; eine Nanny kümmert sich um die Kinder, eine Freundin, Rose, ist immer für Jane und die Kinder da. Jane Ayeko schließt ihr Studium mit dem Bachelor ab. Als sie entdeckt, dass ihr Freund sie betrügt, trennt sie sich von ihm. Die große Liebe endet in Gewalt. Rose und weitere Freundinnen, my girls, sind für sie da, fangen sie auf. Jane Ayeko stürzt sich wieder ins Studium, in die Arbeit. Sie trägt die Haare raspelkurz, Hosen, keinen Schmuck. „Ich wollte arbeiten wie ein Mann.“  

„Alle lernten Französisch. Also lernte ich Deutsch.“ 

Sie steckt sich neue Ziele, will Friedens- und Konfliktforschung studieren, im Ausland ihren Master machen. Jeden Schritt überlegt sich Jane Ayeko genau. „Alle lernten Französisch. Also lernte ich Deutsch.“ Ein Stipendium führt sie nach Berlin, sie arbeitet für die Deutsche Welle, den Auslandssender, der sein Programm in mehr als 30 Sprachen ausstrahlt. Von einer Telefonzelle aus ruft sie zu Hause an, Ferngespräche kosten ein Vermögen, im Telegrammstil spricht sie mit der Nanny: How are you, how are the boys? Nach drei Monaten kehrt sie nach Uganda zurück, arbeitet wieder beim TV-Sender. Die Montage nimmt sie sich frei, tankt ihr Auto voll und klappert auf der Suche nach Fortbildungsangeboten alle möglichen Anlaufstellen ab, denn: „Montags sind alle im Büro!“  

In einer Damentoilette in Kampala ... 

Schließlich bekommt Jane Ayeko ein Angebot von einer deutschen Uni. Sie ruft ihre Freundin an: Rose, I am shortlisted!, ich bin in der engeren Auswahl! Rose lädt sie in ein schickes Lokal in Kampala ein, sie wollen feiern. Während sie essen und reden, klingelt das Telefon, der Professor aus Deutschland! – Jane Ayeko schnappt ihr Handy und rennt zum ruhigsten Ort des Restaurants. In der Damentoilette erfährt sie, dass sie ein neues Kapitel in ihrem Leben schreiben wird: Sie ist zum Masterstudium an der Universität Magdeburg zugelassen. 

Porträtfoto: Dr. Jane Ayeko-Kümmeth.

Angekommen: Dr. Jane Ayeko-Kümmeth  

2009 geht Jane Ayeko nach Magdeburg, vertieft ihre Deutschkenntnisse, studiert, macht ihren Master. Hier nimmt sie sich zum ersten Mal in einer neuen Rolle wahr: als schwarze Frau. Manchmal hört sie, dass andere Affenlaute von sich geben, wenn sie in die Straßenbahn steigt. Sie blendet sie aus, konzentriert sich auf ihren Fokus, das Studium. „Rassismus“, sagt Jane Ayeko-Kümmeth, „habe ich kaum erlebt, weil ich kaum draußen war.“ Sie lebt ein Leben zwischen Hörsaal, Bibliothek und ihrem Studentenzimmer; selbst das Essen in der Mensa leistet sie sich nur selten. Ihre Söhne besuchen ein Internat in Uganda. Schließlich holt sie die beiden, zehn und zwölf Jahre alt, nach Deutschland. Sie wechselt an die Universität Bayreuth, zieht nach Bayern, schreibt ihre Dissertation über Kommunalpolitik in Uganda, arbeitet als Lehrbeauftragte, kümmert sich um ihre Kinder, verausgabt sich bis an den Rand der Erschöpfung, körperlich und seelisch. 2015 wird sie zur Dr. phil. promoviert. 

Und sie verliebt sich in einen Mann, der über die Jahre vom Bekannten zum Freund und Wegbegleiter geworden war, Wolfgang Kümmeth. Die beiden heiraten, lassen sich eine gute Autostunde von Bayreuth entfernt nieder, er wird ihren Söhnen ein Vater. Ihre Familie in Uganda unterstützt Jane Ayeko-Kümmeth weiterhin. „Pass auf Honey, habe ich zu meinem Mann gesagt, ich möchte kein Geld von dir. Ich habe mir einen Minijob gesucht und nebenher in einer Gärtnerei gearbeitet.“ Nach der Promotion stockt ihre wissenschaftliche Karriere zunächst, „struktureller Rassismus“, sagt Jane Ayeko-Kümmeth lapidar. Sie lässt sich nicht entmutigen, kämpft für ihre Ziele. Heute ist sie Wissenschaftliche Koordinatorin am Institut für Afrikastudien (IAS) der Universität Bayreuth. In ihrem Job ist sie mit 80 Professorinnen und Professoren vernetzt, schiebt Forschungsprojekte an und begleitet sie, organisiert Fachveranstaltungen.  

Jane Ayeko-Kümmeth pflegt ihre Wurzeln in Uganda und schlägt in Deutschland neue. Sorry, Klischee: Die Wahlfränkin liebt Sauerkraut und Sauerbraten. „Ich mag das Säuerliche, das schmeckt wie in meinem Dorf, weil wir dort so viel mit Joghurt kochen“, lacht sie. Hat sie das Gefühl, dass sie sich assimilieren musste: ihre eigenen Werte aufgeben, um in der neuen Heimat anzukommen? „Nein“, sagt Ayeko-Kümmeth, „ich habe nichts aufgegeben. Nur die Dinge, an die ich nicht geglaubt habe.“  

Porträtfoto: Dr. Jane Ayeko-Kümmeth, ihre Freundin Rose Bukirwa und ihr Mann Wolfgang Kümmeth.

Verbunden mit zwei Welten: Jane Ayeko-Kümmeth mit ihrer Freundin Rose Bukirwa und ihrem Mann Wolfgang. Rose Bukirwa lebt in Uganda; wenn die Redakteurin und Journalistin in Deutschland an Seminaren teilnimmt, besucht sie ihre Freundin. Wolfgang Kümmeth teilt das ehrenamtliche Engagement mit seiner Frau. Er ist unter anderem sehr aktiv in der Flüchtlingshilfe.  

Empowerment für Mädchen und Frauen 

Als Jane Ayeko-Kümmeth 2011 den Führerscheinkurs besucht, lernt sie eine Kenianerin kennen. „Sie war so lange wie ich in Deutschland, war verheiratet mit einem Deutschen, hatte eine kleine Tochter – und sprach noch immer nicht Deutsch, arbeitete als Putzfrau in Hotels, für nicht mal 800 Euro. Warum? Sie dachte, dass sie zu alt ist, um eine Ausbildung zu machen!“ Die beiden Frauen tauschen Telefonnummern aus und freunden sich an. Jane Ayeko-Kümmeth rechnet ihrer neuen Freundin vor: Wenn du eine Ausbildung machst, verdienst du auch nur 800 Euro – aber danach hast du einen guten Beruf!  

Neue Girls-Group in Deutschland 

Sie klemmt sich hinters Notebook und recherchiert: Wo gibt es Deutschkurse und Ausbildungsangebote? „Ich habe herausgefunden, dass es 300 Ausbildungsberufe in Deutschland gibt“, ruft sie aus, legt ihr Staunen von damals in ihren Blick und schlägt ihre Hand an die Stirn. Gemeinsam schreiben die Freundinnen Bewerbungen, gemeinsam stehen sie Absagen und Rückschläge durch. If you know what you want, you get it, bestärkt Ayeko-Kümmeth ihre Freundin immer wieder: Wenn du weißt, was du erreichen willst, dann schaffst du es auch! Und sie schaffen es: Die Freundin schließt erfolgreich eine Ausbildung ab.  

Mein Ziel ist, mein Leben zu verbessern und nicht von Männern abhängig zu sein. Darin bin ich ein Vorbild, vielleicht auch für nicht-migrantische Frauen.

In den folgenden Jahren tun sich die beiden zusammen und helfen ungezählten afrikanischen Mädchen und Frauen, ab 2015 auch geflüchteten syrischen Jugendlichen. Sie werden zu Expertinnen für Integrationsfragen, vernetzen sich über soziale Medien, verbreiten ihr Wissen, geben Anregungen.  

„Viele Leute, die nach Deutschland kommen, haben nur einen begrenzten Einblick“, schildert Jane Ayeko-Kümmeth. „Ich erkläre ihnen, was hier wie funktioniert. Sie wissen nicht, wie viele Studienfächer es hier gibt, die meisten denken nur an Medizin, Jura und Lehramt. Ich zeige ihnen die Viefalt. Genauso wie bei den Ausbildungsberufen! Oft sagen mir Frauen, dass sie als Verkäuferinnen arbeiten wollen. Ich erkläre ihnen, dass es auch dafür eine Ausbildung gibt. Wir studieren zusammen Broschüren und recherchieren im Web. Ich begleite sie zu Ämtern und Behörden und motiviere sie, wie ein Coach: Du schafft das!“ 

Einen Verein gründen? Nein, lieber alle Kraft ins Empowerment stecken 

Jane Ayeko-Kümmeth überlegt, ob sie einen Verein gründen soll und ihrem Engagement einen offiziellen Rahmen geben. Doch sie entscheidet sich dagegen, steckt ihre knappe Zeit lieber in die konkrete Unterstützungsarbeit als in Organisationsaufgaben. Ihr Netzwerk wird immer größer, Frauen empfehlen sie weiter, „Frag mal die Frau Kümmeth“, heißt es einfach, wenn eine Migrantin Unterstützung braucht, erst im fränkischen Raum, schließlich sogar aus Stuttgart oder Berlin. Jane Ayeko-Kümmeth informiert, berät und unterstützt, notfalls eben online.  

Wir Frauen müssen für uns selbst eintreten, unser Schicksal in die Hand nehmen. Wir müssen uns über die Möglichkeiten informieren und handeln!

Ohne Worte Haltung zeigen: 4 Fragen an Jane Ayeko-Kümmeth 

Jane Ayeko-Kümmeth verbeugt sich mit zusammengelegten Händen.

Was wird von Frauen (nicht nur) in Uganda erwartet, Frau Dr. Ayeko-Kümmeth?

Jane Ayeko-Kümmeth schaut skeptisch in die Kamera; ihre Hände hat sie auf die Hüften gestützt.

Und was halten Sie davon?

Jane Ayeko-Kümmeth streckt die Arme vor sich aus, als würde sie sich gegen den Wind stemmen.

Wie reagieren Sie auf Widerstände?

Jane Ayeko-Kümmeth blickt nachdenklich nach oben und lächelt.

Wie fühlt es sich für Sie an, eine Frau zu sein? „Eher positiv“, überlegt Jane Ayeko-Kümmeth. „Ich breche aus den Stereotypen aus. Ich kann alles, was ein Mann kann.“

Thema 1 von 4

Eine Ausbildung: viel mehr als finanzielle Sicherheit 

Manche Begegnungen berühren Jane Ayeko-Kümmeth besonders. „Ich traf eine Dame, die schon seit 30 Jahren in Deutschland lebte. Sie war sehr ängstlich, ihr Mann, ein Deutscher, sehr gebildet, hatte sie entmutigt. Sie traute sich nicht, rauszugehen und mit Leuten zu reden, traute sich nicht zu schreiben, wusste nicht, wie man ein Konto eröffnet ...“ Jane Ayeko-Kümmeth lud die Frau zum Online-Austausch ein und ermutigte sie, im Chat mehr und mehr zu schreiben. Nach und nach lockte sie sie aus dem Haus, unterstützte sie in Alltagsfragen. „Inzwischen hat sie den Einbürgerungstest gemacht und bestanden. Und ihrem Mann hat sie gesagt: Ich bin jetzt in einer Frauengruppe!“ 

„African Sisters, ihr seid im Land der Ideen, macht mit!“ 

Wenn Migrantinnen ihre Deutschkenntnisse vertiefen, können sie in ihrer neuen Heimat Fuß fassen, den Alltag bewältigen, ein soziales Netzwerk über ihre muttersprachliche Community hinaus aufbauen. Eine Ausbildung und ein Beruf sichern nicht nur finanziell ab, sondern machen selbstbewusst und selbstständig. Für ihr Lebensthema (Aus-)Bildung wirbt Jane Ayeko-Kümmeth deshalb auch als Teilnehmerin an Runden Tischen und als Speakerin und Moderatorin von Veranstaltungen wie der Moving Women Empowerment Conference. „Ich sage dann: African Sisters, ihr könnt das schaffen! Ihr seid im Land der Ideen, macht mit! Hier könnt ihr erfolgreich sein – wenn ihr eine Ausbildung macht!“  

Wer Bildung erwirbt und eine Ausbildung macht, kommt weiter – und kann dann anderen helfen.

In Uganda: die Schönheit der Bildung vermitteln 

Vorbild sein, Blickwinkel erweitern, Chancen zeigen und Zukunft sichern. Das möchte Jane Ayeko-Kümmeth auch in Uganda. In Workshops für Mädchen stärkt sie deren Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein. „Ich fange bei den Basics an: Wie kommt es, dass ein Mädchen und nicht ein Junge geboren wird? Warum muss ein Mann mehrere Frauen heiraten und einen Sohn bekommen? Ich will dieses Wissen in den Dörfern vermitteln!“ 

Ihre Lebensgeschichte macht Dr. Jane Ayeko-Kümmeth auch in Uganda zu einer angesehenen Frau. „Wenn die Leute erfahren, dass ich in die Kirche komme, dann sind die Bänke voll.“ Jane Ayeko-Kümmeth möchte erreichen, dass Mädchen die Schule abschließen, bevor sie schwanger werden – und dass sie dank einer Berufsausbildung auf eigenen Beinen stehen. Education is better than marriage, gibt sie den Jugendlichen mit auf den Weg, Bildung ist eine verlässlichere Grundlage für die Zukunft als eine Heirat. Unter dem Motto The Beauty of Education lädt sie zu Veranstaltungen ein. Sie reist in entlegene Dörfer, ohne Strom, ohne Autos, um Mädchen und auch Jungen zu vermitteln, wie eine gute Ausbildung ihr Leben verändern kann. Die Jugendlichen lauschen aufmerksam, stellt Jane Ayeko-Kümmeth immer wieder fest. „Und nach dem Vortrag werde ich mit Fragen bombardiert.“ 

Ich sage zu den Jugendlichen in Uganda: Ich hatte kein Vorbild. Aber ihr habt jetzt eins. ;-)

Noch zweieinhalb Ziele 

Zwei Ziele hat Jane Ayeko-Kümmeth im Blick, „nein: zweieinhalb“, lacht sie. Nummer eins: Professorin werden. Morgens um sieben sitzt sie am Schreibtisch, nachmittags um vier geht sie ins Fitnessstudio, „zum Rennen“, danach nochmal für zwei, drei Stunden ins Büro. Dann schaltet sie ihren privaten Rechner an und arbeitet an ihren eigenen wissenschaftlichen Veröffentlichungen für ihre Habilitation. Nummer zwei: die ehrenamtliche Arbeit fortsetzen. Aber das ist bei Jane Ayeko-Kümmeth eigentlich kein Ziel, sondern ein Zustand. Und Ziel Nummer zweieinhalb? Jane Ayeko-Kümmeth lacht: „Ich möchte in Uganda ein kleines Häuschen für mich haben und daneben eine riesige Emanzipationshalle.“ Ein Stück Land hat sie, gemeinsam mit anderen Frauen, schon gekauft. „In zwanzig Jahren sehe ich mich als pensionierte Akademikerin dort sitzen und den Kindern und den Damen etwas beibringen.“ 

In zwanzig Jahren sehe ich mich in einer riesigen Emanzipationshalle sitzen und den Kindern und den Damen in Uganda etwas beibringen.

„Ich kann jetzt anfangen zu leben“

Ihre Söhne sind flügge geworden, studieren, verdienen auch eigenes Geld. Jane Ayeko-Kümmeth lernt gerade erst, sich auch mal selbst etwas zu gönnen, mal bei einem schönen Kleid nicht auf den Preis zu schauen, mal einfach so ins Restaurant zu gehen. Nur Unterwäsche, sagt sie, kaufe sie schon seit Langem in verschwenderischen Mengen. Nie wieder, und sie unterstreicht jedes Wort mit einem entschiedenen Handkantenhieb, nie wieder wolle sie an frischer Wäsche Mangel leiden. Und nicht an Schuhen, ergänzt sie und ihre Freundin Rose, die zurzeit zu Besuch ist, mit Jane im Garten sitzt, grinst.

Porträtfoto: Dr. Jane Ayeko-Kümmeth.

Das Gespräch in Jane Ayeko-Kümmeths Garten ist beim aktuellen Kapitel ihrer Lebensgeschichte angekommen. „Honey“, ruft Jane Ayeko-Kümmeth ihrem Mann zu, „das Eis kann kommen“. Da flattert eine Erinnerung durch ihren Kopf, sie lacht wieder ihr ansteckendes Lachen und erzählt: „Als meine Mama zu Besuch war, und erlebt hat, wie ich zu meinem Mann gesagt habe, bring doch bitte das Eis, und hier saß, mit hochgelegten Füßen, da fand sie das toll. Jane, hat sie gesagt: Jetzt genießt Du dein Leben.“ 

Wäre es nicht wirklich an der Zeit, sich mal auf dem Erreichten auszuruhen? Jane Ayeko-Kümmeth nickt. „Ich stelle mir immer wieder diese Frage: Musst du wirklich immer weiter? Blick mal zurück und schau, wie viel du geschafft hast! Du bist die einzige Tochter, die studiert hat!“ Ayeko-Kümmeth macht eine Pause. Dann sagt sie: „Ich habe Träume, aber die sind kein Muss mehr. Ich kann jetzt anfangen zu leben.“ 

Jane Ayeko-Kümmeth: meine Botschaft! 

Frauen, die nicht in Deutschland geboren sind, gerade farbige Frauen, müssen ihr Schicksal in die Hand nehmen. Deutschland bietet viele Möglichkeiten, doch jede Frau muss selbst initiativ werden, sich informieren und handeln. Auch wenn es kein leichter Weg war, habe ich ihn selbst erfolgreich beschritten. Was ich geschafft habe, das können Sie auch!