Eine Frau mit Visionen
Viele Jahre engagierte sich Brigitte Ganslmeier für frauenpolitische Themen und setzte sich vor allem für junge Schwangere in Not ein. Mit einer Stiftung sammelte die Sozialpädagogin Geld, um die Vision eines Mutter-Kind-Hauses für die Region Landshut umzusetzen. Ein Lebenswerk, das vielen jungen Menschen neue Zukunftsperspektiven ermöglicht.
Brigitte Ganslmeier: Engagement für Frauen in Not
Nach dem Studium der Sozialpädagogik in München startete Brigitte Ganslmeier im Jahr 1978 als kirchliche Jugendpflegerin im Landkreis Garmisch-Partenkirchen ins Berufsleben. Später übernahm sie die Jugendarbeit in Landshut, und schließlich wurde sie Bildungsreferentin für Frauenarbeit an der Katholischen Landvolkshochschule Petersberg. Aufgewachsen auf einem Bauernhof war sie außerdem ehrenamtlich 25 Jahre Ortsbäuerin und 20 Jahre stellvertretende Kreisbäuerin des Bayerischen Bauernverbands im Landkreis Landshut. Hier leitete sie zahlreiche Seminare für Frauen, vernetzte sich und inspirierte andere Frauen. Ihr gesamtes Leben lang engagierte sie sich zusätzlich in zahlreichen Ehrenämtern. Ihre prägendste Zeit erlebte Brigitte Ganslmeier als Leiterin der Schwangerenberatungsstelle des Caritasverbands Landshut e.V. ab dem Jahr 2001. Neunzehn Jahre lang setzte sich die Sozialpädagogin dort für junge Schwangere in Not ein. In dieser Zeit entstand die Idee eines neu gebauten Mutter-Kind-Hauses für die Region Landshut. Ein Herzensprojekt, das sie noch kurz vor der Rente auf die Beine stellte.
Das Caritas-Mutter-Kind-Haus Landshut
Das Caritas-Mutter-Kind-Haus ist ein Angebot für junge (werdende) Mütter und Väter ab 16 Jahren, die sich gemeinsam mit ihren Kindern bis zum sechsten Lebensjahr in herausfordernden Lebens-, Not- und Krisenlagen befinden. Ein vielseitiges Team von Fachleuten unterstützt diese Frauen und Männer bei der Entwicklung von Lebensperspektiven und vermittelt ihnen wichtige Erziehungskompetenzen – immer mit dem Ziel, ein harmonisches Zusammenleben von Mutter oder Vater und Kind in der Zukunft zu ermöglichen. Das pädagogische Angebot umfasst eine 24/7-Betreuung mit regelmäßigen Einzel- und Gruppengesprächen, therapeutischen Angeboten, die Begleitung durch Schwangerschaft und Geburt, Unterstützung bei der Versorgung und Erziehung des Kindes und Anleitung bei Alltagskompetenzen (zum Beispiel Hauswirtschaft). Auch soziale Aktivitäten in der Gruppe (zum Beispiel Babymassage, PEKiP-Gruppen, gemeinsame Mahlzeiten, Freizeitgestaltung) werden ermöglicht.
Die Stiftungsgründung
Während ihrer Zeit in der Schwangerenberatung wuchs bei Brigitte Ganslmeier der Wunsch, eine vollstationäre Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung auf die Beine zu stellen, um bedürftigen Frauen während und nach ihrer Schwangerschaft zur Seite zu stehen. Und der Bedarf war da: Häufig mussten sich junge Schwangere für Mutter-Kind-Einrichtungen weit weg von ihrem Zuhause entscheiden, weil es kein passendes Angebot in Landshut und Umgebung gab. Diese Maßnahme ist oft die einzige Option des zuständigen Jugendamts, damit Mütter und Väter ihre Kinder behalten und versorgen dürfen. „Viele Frauen, die in meiner Beratung waren, kamen auf mich zu und sagten mir, wie gerne sie wieder zurück in ihre Region kommen würden. Das war der Moment, wo ich mir dachte: ‚Da muss ich etwas tun!‘“, berichtet Brigitte Ganslmeier. In den darauffolgenden Wochen, Monaten und Jahren zog sie auf der Suche nach Unterstützenden durch den Landkreis, hielt Vorträge vor Gemeinden, Pfarreien und Verbänden. Damit legte sie den Grundstein für die Stiftungsgründung „Schwangere und Kinder in Not“, die sie gemeinsam mit dem Caritasverband Landshut e. V. ins Leben rief. Sechzehn Jahre lang sammelte Ganslmeier mit ihrer Stiftung Geld- und Sachspenden, u. a. von Sternstunden e. V., Privatpersonen, Firmen, Pfarreien, Gemeinden und Verbänden. Unterstützung bekam sie dabei nicht nur von verschiedenen Trägern, sondern auch von ihrer Familie.
„Das Leben der Frauen gemeinsam zum Besseren zu verändern, das war das Sinngebende und Freudvolle an meiner Tätigkeit. Dafür bin ich jeden Tag dankbar!“
Die Familie als Stütze
Seit 35 Jahren ist Brigitte Ganslmeier mit ihrem Mann verheiratet. Gemeinsam haben sie vier Kinder und einen Hopfenbaubetrieb im Nebenerwerb. Ihr familiäres und ehrenamtliches Engagement, ihren Beruf und die Familie unter einen Hut zu bringen war dabei nicht immer leicht. „Ich glaube, die größte Herausforderung in meinem Leben ist die Zeit. Ich musste schon immer schauen, wie ich sie mir einteile und Prioritäten setze.“ Bei all ihrem Tun steht ihre Familie stets hinter ihr. „Mein Mann und meine Kinder hatten viel Verständnis, für das, was ich gemacht habe. Sie haben mir immer den Rücken gestärkt. Dennoch fiel es mir nicht immer leicht, allen gerecht zu werden“, erzählt sie. Die Zeit ist so ein Thema bei Brigitte Ganslmeier. Neben ihrem Beruf, ihrer Familie und dem Bauernhof pflegte die inzwischen 67-Jährige gemeinsam mit ihrer Familie ihre Schwiegereltern und kümmerte sich um ihre Eltern, insgesamt 23 Jahre lang. „Langeweile ist nichts für mich, ich bin einfach gerne in Bewegung und arbeite sehr gerne“, erklärt sie lachend.
Der Rückhalt ihrer Familie stärkte Brigitte Ganslmeier auch in der 16-jährigen Phase des Spendensammelns, in der sie sich oft als Einzelkämpferin fühlte. „Am Anfang war ich allein auf weiter Flur und musste viele Menschen von meiner Idee überzeugen. Mein Vorhaben wurde oft belächelt und als unrealistisch abgetan, vor allem von Männern“, erzählt sie. Doch Brigitte Ganslmeier ließ sich nicht unterkriegen, mobilisierte – und erfüllte sich ihren Lebenstraum. Dabei bekam sie viel Rückhalt aus der weiblichen Öffentlichkeit und stellte ein multiprofessionelles, hoch motiviertes Frauenteam zusammen.
3 Fragen zur Rolle der Frau
Ich denke, in den letzten Jahrzehnten hat sich wirklich viel getan – aber noch nicht genug. Was ich beobachte: Frauen haben in der Gesellschaft immer mehr an Bedeutung gewonnen, ob in Gesellschaft, Politik, Wirtschaft oder Kirche. Das weibliche Engagement und die vielseitigen Kompetenzen und Talente von Frauen prägen unsere Welt in allen Bereichen positiv mit.
Für mich macht Frauen stark, dass sie nicht aufgeben und ihr Durchhaltevermögen nutzen, um nichts für sich und andere unversucht zu lassen. Stark finde ich auch immer wieder aufs Neue ihre Kunst, das Leben zu meistern.
Ich wünsche mir, dass Frauen auf eigenen Beinen stehen können, mehr Führungspositionen in Kirche, Politik und Wirtschaft einnehmen und Chancengerechtigkeit in allen Bereichen des Lebens erfahren. Ich wünsche mir, dass sie mehr Wertschätzung bekommen für alles, was sie leisten – insbesondere für ihre Care-Arbeit –, und dass sie selbst nicht ihr „Licht unter den Scheffel stellen“.
Das Mutter-Kind-Haus als Lebenswerk
2019 konnte Brigitte Ganslmeier das neu gebaute Mutter-Kind-Haus in Landshut eröffnen. Mit der Einweihung und der Inbetriebnahme des Haues sicherten ihr vor allem der Caritasverband Landshut e. V. als Träger viel Unterstützung zu. Insgesamt drei Jahre leitete sie das Mutter-Kind-Haus. „Das war mein großer Traum und mein Ziel, das Haus noch vor meiner Rente zum Laufen zu bringen. Tatsächlich konnte ich mein Lebensprojekt, das mir so am Herzen lag, noch verwirklichen“, erzählt sie stolz. Seit über einem Jahr ist Brigitte Ganslmeier nun in Rente. Doch auch mit ihren 67 Jahren denkt sie nicht daran, die Füße hochzulegen. Gemeinsam mit ihrem Mann und ihrer Tochter als Hofnachfolgerin führt sie den landwirtschaftlichen Betrieb. Ihr Leben war und ist geprägt von Bewegung, Fortschritt und Gemeinschaftssinn. „Mich hat schon immer die Liebe zu den Menschen und das Bedürfnis, etwas für die Gemeinschaft zu tun, angetrieben“, erzählt sie. Auch heute hat sie gute Beziehungen zur Leiterin und zum Team des Mutter-Kind-Hauses und beobachtet ihr Werk aus der Ferne. Bis dato ist sie Kuratoriumsvorsitzende der Stiftung „Schwangere und Kinder in Not“.
Unterstützung für Eltern und Familien
Bayern bietet werdenden Eltern und Familien viele Unterstützungsangebote. Auf der Website Familienland Bayern finden Sie erste Infos und weiterführende Links zu finanziellen Leistungen, Beratungsstellen und viele weitere Erziehungs- und Familienthemen. Schwangere erhalten umfangreiche Beratung bei den bayerischen Schwangerschaftsberatungsstellen, die bei finanzieller Notlage auch Leistungen der „Landesstiftung Hilfe für Mutter und Kind“ vermitteln. Näheres hierzu finden Sie auf der Website des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales.
Neue Perspektiven für junge Mütter und Väter
Mit dem Mutter-Kind-Haus hat Brigitte Ganslmeier ein Zuhause auf Zeit für Menschen in schwierigen Lebenslagen geschaffen. Heute leben viele Mütter und Väter mit ihren Kindern in der Einrichtung in Landshut und füllen sie mit Leben. „Die Eltern lernen, für sich selbst zu sorgen und den Umgang mit ihren Kindern“, erzählt Brigitte Ganslmeier von der Arbeit im Mutter-Kind-Haus. Vermittelt werden dort Alltags- und Erziehungskompetenzen. Vom Einkaufen über die Finanzen bis hin zur Zubereitung gesunder Ernährung und dem richtigen Erziehungsverhalten ist alles dabei. Doch das Haus ist noch viel mehr, wie Brigitte Ganslmeier weiß: „Wir legen den Grundstein dafür, dass Familien mit ihren Kindern ein selbstständiges und selbstverantwortetes Leben lernen und führen können. Wir begleiten sie auf ihrem Weg und schaffen neue Perspektiven.“
„Die größte und wirkungsvollste Unterstützung in der Arbeit und in der Leitung dieser vollstationären Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung erfuhr ich durch das multiprofessionelle, hoch motivierte Frauenteam im Mutter-Kind-Haus.“
Inspiration und Kraft
Mit ihrer positiven Lebenseinstellung inspirierte Brigitte Ganslmeier viele Menschen, die ihr auf ihrem Weg begegneten. „Ich habe immer die Hoffnung, dass die Welt zu einem besseren Ort werden kann und ich selbst etwas dazu beitragen kann“, erklärt sie ihre persönliche Motivation. Auch ihr christlicher Glaube spielt eine große Rolle in ihrem Leben. Mit ihrem Engagement setzte Brigitte Ganslmeier sich stets dafür ein, dass alle die gleichen Chancen auf ein gutes Leben bekommen. Ihr selbst liegt dabei vor allem die Bildungsarbeit am Herzen. „Mir waren besonders die Jugendarbeit und die Frauenarbeit wichtig, weil ich hier die größten Defizite gesehen habe. Ich möchte, dass alle Menschen das Lebenskonzept leben können, das sie sich vorstellen. Das funktioniert meiner Meinung nach nur mit Bildung und durch starkes eigenes Engagement in Verbindung mit adäquater gesellschaftlicher Unterstützung“, erklärt sie.
„Ich möchte Mädchen und Frauen zu einem eigenen Lebenskonzept ermutigen, zu Bildung in den unterschiedlichsten Bereichen motivieren und sie in ihren Talenten, Stärken und in ihrem Engagement für sich und andere unterstützen.“