Eine Frau mit einer Schürze sitzt an der geöffneten Tür eines Kleintransporters.

Die Lebensmutige

Theresa Kummer ist Unternehmerin, der soziale und ökonomische Aspekte wichtig sind. Sie versorgt die Menschen mit unverpackten Bio-Lebensmitteln. So möchte sie die Welt ein kleines bisschen besser machen, vielleicht auch, weil sie düstere Momente aus eigener Erfahrung kennt. Gedrückte Stimmung, Antriebslosigkeit und das Gefühl von Hoffnungslosigkeit sind Symptome einer Depression, die sie bereits einmal aus der beruflichen Bahn katapultiert hat. Ihre Geschichte zeigt, wie eine Krise zur Chance werden kann.

Mit dem Scheitern klarkommen

Das Scheitern kam damals für Theresa Kummer aus heiterem Himmel. Nach dem Abitur verließ sie ihren Heimatort Landsberg, studierte ihr Traumstudienfach Augenoptik an einer renommierten Hochschule. Sie ergatterte gleich ab dem ersten Semester einen Job als Werkstudentin beim Marktführer der optischen Industrie, peilte ihre berufliche Laufbahn dort an. Die Berufspraxis ließ erste Zweifel am Karriereziel wachsen, Theresa Kummer registrierte starre Strukturen in den verschiedenen Abteilungen, wunderte sich über wenig Spielraum für eigene Entscheidungen der Angestellten.
Schlimm wurde es, als sie mit ihrer Bachelorarbeit loslegte. Sie paukte, aber sie packte es nicht. „Mit der Situation konnte ich damals nicht umgehen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich etwas, das ich mir erträumt habe, nicht erreiche. Das habe ich damals als existenzbedrohend empfunden. In meinem Kopf hämmerte immer nur: ,Du musst das schaffen‘, aber ich musste akzeptieren, dass ich das nicht konnte“, erinnert sich Theresa Kummer. Sie zog die Reißleine, unterbrach das Studium. „Damals wusste ich nicht, dass ich krank bin. Ich hatte Panikattacken und Depressionen, aber das war mir nicht klar. Erst nach einem Klinikaufenthalt konnte ich die Krankheit und meine finsteren Gedankenspiralen einordnen. Und ich habe erkannt: Ich muss die Weichen für meinen beruflichen Weg neu stellen.“ Das Studium beendete Theresa Kummer nach einer Pause doch noch erfolgreich, mit der Unterstützung zweier Dozenten. 
 

Eine junge Frau steht an einem Feldweg neben einem Baum und lächelt.

Theresa Kummer weiß, wie wichtig es sein kann, die Reißleine zu ziehen.

Eine Geschäftsidee, die Müll vermeidet

Ein eigenes Business, die Selbstständigkeit – diese Gedanken waren ihr schon öfter durch den Kopf geschossen, sie hatte sie aber nie zu Ende gedacht. Plötzlich gab es Räume für Ideen, Theresa Kummer spielte Optionen durch. Beim Umzug in die gemeinsame Wohnung mit ihrem Partner gab es einen Aha-Moment: „Wir packten Kartons aus, richteten unsere Küche ein. Dabei wurde mir klar, welche irren Mengen Plastik die Verpackungen unserer Lebensmittel verursachen“, erzählt die Unternehmerin. Sie realisierte: „So mache ich nicht weiter.“ Aber sie dachte weiter – wie sie Müll vermeiden und mit alternativen Einkaufsmöglichkeiten Geld verdienen kann. Bevor ihr Unverpackt-Mobil „Tante Resi“ die ersten Wochenmärkte ansteuern konnte, setzte sich Theresa Kummer an den Schreibtisch und bereitete ihr Projekt akribisch vor: Sie recherchierte die Erfahrungen der Pionierinnen und Pioniere der Unverpackt-Szene und entwickelte einen Businessplan. Dafür zapfte sie den Erfahrungsschatz des gemeinnützigen Vereins AktivSenioren Bayern an, profitierte vom Fachwissen der erfahrenen Unternehmerinnen und Unternehmer. Vor dem Schritt in die Selbstständigkeit eignete sie sich Wissen übers Steuerrecht, Kalkulation und Marketing an. Einen Teil ihres Startkapitals konnte sie über das sogenannte Crowdfunding erwerben. Das ist eine alternative Art der Finanzierung (funding), bei der viele Menschen (crowd) gemeinsam eine Idee oder ein Projekt unterstützen.

Eine Frau lehnt auf der Theke eines mobilen Verkaufwagens und lacht.

Theresa Kummer hat ihre Stärke wiedergefunden und ihr eigenes Unternehmen gegründet.

Nahaufnahme einer Tasse, auf der "Tante Resi" steht.

Theresa Kummer hat ihre Stärke wiedergefunden und ihr eigenes Unternehmen gegründet.

Gläser mit Keksen in einer Verkaufsvitrine eines mobilen Verkaufswagens.

Theresa Kummer hat ihre Stärke wiedergefunden und ihr eigenes Unternehmen gegründet.

Eine Hand heftet eine Büroklammer mit der Aufschrift "Resi" an eine Schürze.

Theresa Kummer hat ihre Stärke wiedergefunden und ihr eigenes Unternehmen gegründet.

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Yoga und Meditation stärken das Selbst

Inzwischen rollt „Tante Resi“ seit drei Jahren durchs Ostallgäu. Das Unternehmen Resi hat sich längst einen treuen Kundenstamm auf verschiedenen Wochenmärkten erworben, sichert Theresa Kummers Lebensunterhalt und ist Arbeitsplatz für vier Teilzeitkräfte. Bis Resi sich etabliert hatte, galt es, einige Hürden zu überwinden, der Aufbau eines eigenen Business ist durchaus kräftezehrend, wie Theresa Kummer berichtet. An ihrer Selbstständigkeit liebt sie „die absolute Freiheit, meine Entscheidungen so zu treffen, wie ich sie richtig finde. Und ja, es gibt auch 70-Stunden-Wochen oder ich habe Konflikte zu lösen, aber ich kann alles so regeln, wie ich das will.“
Und wie geht eine Frau, die Depressionen und Panikattacken kennt, mit beruflichen Tiefschlägen um? „Ich mache mich innerlich stark“, lautet die Antwort. Theresa Kummer hat sich intensiv mit dem Thema Resilienz auseinandergesetzt, also mit der Kraft der Psyche, schwierige Situationen und Belastungen auszuhalten. Sie weiß inzwischen, dass sie eigenständig durch Meditation, Yoga und Achtsamkeitsübungen ihre Widerstandskraft mobilisieren kann. Was ihr auch hilft, ist, dass sie bereits die Erfahrung gemacht hat, dass das Leben kein Wunschkonzert ist. „Ich mache mein Ding, solange es mir Spaß macht. Wenn ich keinen Bock mehr hab’, dann lass ich’s eben“, sagt sie.
 

„Ich weiß inzwischen, wie ich meine Abwehrkräfte stärken kann – durch Achtsamkeit, Bewegung, auch durch Musik.“

Die Chefin als Teamspielerin

Als Arbeitgeberin mag sie es zwar, dass alles nach ihrem Kopf geht, das heißt aber nicht, dass Theresa Kummer sich als Einzelkämpferin sieht. Was für ein Typ Chefin ist sie? „Laissez-faire“, sagt sie lächelnd. Sie lässt ihrem vierköpfigen Team viel Freiraum, weiß sie doch aus eigener Erfahrung, dass starre Rangordnungen und die Ansage „Das haben wir schon immer so gemacht“ nicht gerade zu einem guten Betriebsklima beitragen. „Ich bin Teamspielerin, habe mir immer Unterstützung gesucht und weiß, dass ich das nicht allein geschafft hätte. Obwohl ich selbst schon einiges an Erfahrung habe, scheue ich mich nicht, mich beraten zu lassen. Aktuell tausche ich mich mit einer Coachin aus“, schildert sie. Social-Media-Marketing, die enge Zielgruppe der Unverpackt-Kundschaft, Personalfragen – es gibt vieles, über das Theresa Kummer sich austauschen will. „In meinem Team unterstützen wir uns gegenseitig, begegnen uns auf Augenhöhe. Doch am Ende halte ich meinen Kopf hin und trage die Verantwortung.“ Sie engagiert sich zudem als Vorständin im Verband der Unverpackt-Läden. Theresa Kummer packt nicht nur mit an, arbeitsmarkt- und sozialpolitische Interessen ihrer Branche durchzusetzen, als kollegiale Beraterin gibt sie auch deutschlandweit ihr Know-how an Gründungswillige weiter.
 

„Ich bin ich selbst – aber nicht allein.“
Eine Frau steht vor einem Verkaufswagen mit unverpackten Lebensmitteln.

Selbstbewusst und erfolgreich: Theresa Kummer ist stolz auf ihre Selbstständigkeit.

Führen Frauen anders?

Macht sie sich Gedanken darüber, ob sie als Frau anders an ihr Business herangeht, als es ein Mann tun würde? „Eigentlich nicht“, sagt Theresa Kummer. „Nach meinem Eindruck war es vor einigen Jahren noch so, dass Frauen als Unternehmerinnen oder Führungskräfte eine Sonderrolle hatten. Ich habe nie die Erfahrung gemacht, aufgrund meines Geschlechts benachteiligt zu sein. Klar, es kommt schon mal vor, dass auf dem Markt ein Kunde fragt: ,Wer ist denn hier der Chef?‘, aber es stresst mich nicht, wenn ich dann lächelnd antworte: ,Das wär’ dann wohl ich.‘“ Die Unternehmerin beobachtet allerdings ihr eigenes Verhalten sehr genau, etwa wenn sie bei männlichen Lieferanten etwas reklamieren muss. „Da habe ich den Eindruck, das klappt besser, wenn ich eine gewisse Härte an den Tag lege. Eine energische Ansprache kostet mich Überwindung, und manchmal frage ich mich, ob da doch noch Rollenstereotype in meinem Kopf herumschwirren.“ Ihr ist es wichtig, ihren eigenen Weg zu gehen, ihre Werte zu vertreten. Dafür hat sie ihre persönliche Erfolgsformel gefunden: „Fundiertes Wissen! Die Unsicherheit des Unwissens macht mich fertig – und da kann ich selbst für Sicherheit sorgen. In unserer schnelllebigen Zeit mit all ihren Herausforderungen ist das eine stabile Basis.“
 

3 Fragen zur Rolle der Frau 

So selbstbestimmt und frei wie noch nie zu sein – eigene Stärken mit einer gewissen Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit in die Gesellschaft miteinbringen zu können. Diese Möglichkeiten hat es nicht schon immer gegeben.

Gemeinschaft und Zusammenhalt machen uns Frauen stark. Für mich persönlich ist meine eigene Resilienz meine größte Stärke.

Mehr Mut, die eigenen Visionen und Träume in die Realität umzusetzen. Sich von gesellschaftlich vordefinierten Rollen nicht beeinflussen zu lassen.