Porträt einer Frau, die lächelt.

Die Hoffnung gebende Entwicklungshelferin

Für Kerstin Klauditz nimmt Bildung einen großen Stellenwert im Leben ein: Sie ist für sie die Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben. Mit ihrem gemeinnützigen Verein ermöglicht die Grundschullehrerin aus Ingolstadt Kindern in Tansania, in den Kindergarten und die Schule zu gehen. 

Über …

Tansania ist für Kerstin Klauditz mittlerweile zu einer zweiten Heimat geworden. Den Anstoß, eine eigene Hilfsorganisation für Entwicklungsarbeit zu gründen, gab ein dreimonatiges Praktikum, das sie 2011 an einer Grundschule in Arusha machte, einer Stadt im Nordosten Tansanias. Sie lernte die Lebensverhältnisse der Kinder kennen und wollte helfen. Vor allem für die Mädchen und Jungen aus den umliegenden Dörfern war es schwierig, am Unterricht der Grundschule in der Stadt teilzunehmen, weil sich die Eltern die Schulgebühren nicht leisten konnten. Kerstin Klauditz besuchte die Familien, sprach mit ihnen und erfuhr so, was sie brauchten. Sie legte für ein paar Kinder Steckbriefe an. Zurück in Deutschland suchte sie Paten für ihre Schützlinge und gründete einen eigenen Verein. In den darauffolgenden Jahren setzte sie zusammen mit anderen Unterstützerinnen und Unterstützern in Deutschland wie auch in Afrika viele Projekte um, unter anderem einen Schulanbau, ein Trinkwasserprojekt und den Bau eines Pausenhofs. 2024 wurde der neu gebaute Kindergarten eröffnet. Sie selbst hat durch ihre Entwicklungshilfe Freunde in Arusha gefunden und schon viele Mädchen und Jungen auf ihrem Bildungsweg begleitet. Zwei Patenkinder studieren heute, fünf der Patenkinder haben 2024 ihren Bildungsabschluss an der Universität absolviert. Kerstin Klauditz, Mutter von zwei Kindern und noch bis 2025 in Elternzeit, sprüht vor Energie und Zuversicht, wenn sie von ihrem Herzensprojekt erzählt. Und sie ist stolz und froh darüber, dass ihre Hilfsorganisation von den meisten wie eine Familie wahrgenommen wird. 

Welle
Porträt einer Frau, die lächelt.
Podcast: Kerstin Klauditz
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Daniela Arnu: Herzlich willkommen beim Podcast „Bayerns Frauen. Jede anders stark!“ Mein Name ist Daniela Arnu und bei mir zu Gast ist heute Kerstin Klauditz. Hallo! 

Kerstin Klauditz: Hallo!

Daniela Arnu: Schön, dass Sie da sind, Frau Klauditz. Sie sind heute aus Ingolstadt nach München gereist für dieses Gespräch. Aus Ingolstadt kommen Sie auch, haben dort Grundschullehramt studiert. 2011 sind Sie ins Referendariat gestartet. Wann war Ihnen klar: Ich will mehr als nur Lehrerin sein. 

Kerstin Klauditz: Ich war 2011 in meinem Studium und habe dann beschlossen, dass ich ein  Praktikum machen möchte, weil mich die Welt schon immer interessiert hat, ich schon immer viel gereist bin, gerne gereist bin. Und ich hatte auch schon mal ein Praktikum in Südafrika gemacht, hatte bei einem Projekt geholfen und dachte dann, ich möchte noch tiefer rein nach Afrika. Und dann ist mir Tansania ins Auge gestochen, und dann habe ich beschlossen, da drei Monate für ein Praktikum hinzugehen, um an der Schule zu unterrichten, an einer Grundschule. 

Daniela Arnu: Dabei blieb es aber nicht, sondern Sie haben wirklich ziemlich im Anschluss sofort angefangen, einen Verein zu gründen, der sich um die Bildung in Afrika, in Tansania kümmert. Wie kam es dazu? Von dem Praktikum hin zu so einer Vereinsgründung ist ja doch eigentlich noch mal ein extra Schritt. 

Kerstin Klauditz: Ja, das ist richtig. Ich war zwei Monate zunächst im Praktikum und habe dann eigentlich gemerkt, ich werde immer mehr von Familien eingeladen zu Hausbesuchen. Ich habe auch intensiver gesehen, wie die Menschen da leben, wie die Kinder leben, wie die Umstände sind. Im dritten Monat meines Praktikums habe ich dann angefangen, Steckbriefe aufzunehmen von den Kindern, weil ich dachte, ich kann unmöglich nach drei Monaten nach Hause fliegen und einfach so mein Leben weiterführen. Ich möchte den Menschen helfen und ihnen die Chance geben auf Bildung, weil für mich Bildung der Schlüssel zum Leben ist und wir nur durch Bildung etwas ändern können oder diese Kinder selbst etwas ändern können. Und meine Motivation war vor allem meine siebte Klasse, die ich unterrichtet habe. Da gab es fünf Kinder, von denen ich wusste, die beenden jetzt dann ihre Primary School und wollen auf die Secondary School. Das waren gute Studenten, also gute Schülerinnen und Schüler.  Und ich wusste, wenn ich jetzt nach Hause fahre und denen nicht irgendwie helfen kann, dann werden die ihre Schule nicht mehr weiterführen können. Also bin ich nach Hause geflogen und habe für die Paten gesucht. 

Daniela Arnu: Das heißt, es braucht Geld dann fürs "weiter an der Schule sein". Die Schule ist ja da, Sie haben dort unterrichtet und diese Kinder kennengelernt. Was fehlt dann also ? Was sind die Umstände, warum die nicht weitergehen könnten, wenn Sie nicht helfen würden? 

Kerstin Klauditz: Die Umstände von den Familien, von denen wir sprechen, sind so, dass die Kinder in Lehmhütten leben. Da drin ist, wenn es gut läuft, ein Bett und nicht nur eine Matratze. Es sind ganz viele Mütter, die alleine gelassen worden sind von ihren Männern. 90 Prozent der Familien, die wir in unserem Projekt haben, sind Kinder, die ohne Vater aufwachsen, teilweise auch Waisenkinder. Und die Schule hat es im Endeffekt noch getragen, die Primary School, aber die Secondary School ab der achten Klasse kostet Geld. Bücher kosten Geld, Hefte kosten Geld, Stifte, Nahrung und auch die Schulkleidung, die die Kinder tragen müssen in Tansania. Es kostet alles Geld. Und daraufhin haben wir  eine Kalkulation gemacht: Wie können wir eine Boarding School, also ein Internat für die Kinder, finanzieren?  Und mit 35 Euro im Monat war das abgedeckt.  Und das ist dann auch der Patenschaftsbeitrag, mit dem wir angefangen haben und der auch immer noch der gleiche ist. 

Daniela Arnu: War das auch Überzeugungsarbeit bei den Eltern, dass man sagt, es geht ja nicht nur ums Geld, sondern auch darum, dass die Kinder nicht schon früh anfangen zu arbeiten? Vielleicht hätten die einen oder anderen Eltern es auch lieber gehabt, dass die noch arbeiten oder schon arbeiten.

Kerstin Klauditz: Also, wir haben immer wieder solche Gespräche, das ist auch tatsächlich Teil unserer Arbeit, dass wir sagen, wir haben nicht nur die Kinder im Projekt, sondern wir machen auch Frauenprojekte. Das ist jetzt auch in dem neu gebauten Kindergarten eben dann der Fall, dass wir nachmittags Frauenprojekte und Seminare anbieten wollen, in denen wir die Frauen weiterbilden, fortbilden und ihnen zeigen, was sie für Möglichkeiten haben in ihrem Leben und eben nicht nur die Kinder. Und dass es nicht gut ist, wenn Kinder früh arbeiten. Also wir sind da ganz viel dran, im Endeffekt diese Entwicklungsarbeit zu leisten, auch im sozialen Bereich. Wir haben Sozialarbeiter, die dann mit den Familien oder mit den Müttern sprechen und denen eben zeigen, was sie selbst schaffen und machen können und wie wichtig Bildung ist. 

Daniela Arnu: Das heißt, es ist ein viel weiterer Bildungsbegriff als einfach nur die Schule, die die Kinder dann weitermachen. Sondern es geht ja insgesamt um auch die Bildung der Erwachsenen an der Stelle. Wie wurde Ihnen damals und auch heute, wie wird Ihnen heute begegnet als Frau, aber auch einfach als Mensch? 

Kerstin Klauditz: Grundsätzlich muss man natürlich sagen, man ist in Afrika. Es ist offensichtlich, dass man nicht von dort ist. Man ist der Europäer, der kommt. Am Anfang war das teilweise einerseits schwierig, und andererseits sind mir die Menschen immer hilfsbereit und offenherzig entgegengetreten. Ich wurde ganz viel eingeladen zu den den Familien nach Hause zu kommen – sei es auf eine Kuhmilch, mit in die Kirche zu gehen, mit den Familien gemeinsam zu tanzen. Egal ob Frau oder Mann ... Wir sind zum Beispiel mal steckengeblieben mit dem Auto. Da sammelt sich innerhalb von ein, zwei Minuten eine Herde an Menschen an, die einfach nur alle helfen wollen. Das ist faszinierend. Wenn wir hier her schauen, nach Deutschland, wie viele Menschen  in dieser Handywelt leben und eigentlich gar nicht mehr ihr Umfeld bemerken. In Afrika lebt man das viel mehr, das Zwischenmenschliche und der Kontakt, so dass man sich kennt. Diese Community ist so riesengroß, und da habe ich mich tatsächlich dann auch relativ schnell aufgenommen gefühlt. Die Menschen wussten, was wir tun und dass wir hier sind, um zu helfen, und das war auf jeden Fall eine gute Erfahrung, die ich da gemacht habe als Frau.

Daniela Arnu: Sie haben dann diese Boarding School auch mit dem Geld aufbauen können. Sie selber sind nach Ihrem Referendariat, 2013 war das glaube ich, tatsächlich ein Jahr ehrenamtlich dahin gegangen und haben unterrichtet. Wie hat das auch noch mal das Verhältnis zu den Menschen dort verändert? 

Kerstin Klauditz: Wir haben teilweise Lehrkräfte angestellt, wir hatten eine Lehrkraft für Kinder mit Behinderung, wir hatten einen IT-Teacher. Ich habe das Team eigentlich vor Ort mehr aufgebaut. Wir haben einen Teil von der Schule weiter gebaut. Also, es waren ganz, ganz viele tolle Projekte. Und was mir aber ganz, ganz extrem klar wurde, war: Man kann nicht einfach nach Tansania gehen und sagen, man verändert da alles. Man ist die Weiße, die alles weiß. Nein!

Daniela Arnu: Es geht nur miteinander und auf Augenhöhe.  

Kerstin Klauditz:  Nur miteinander! Es geht nur mit der Community zusammen und auch nicht nur denen irgendetwas hinlegen und geben, sondern zusammen mit ihnen gemeinsam was erarbeiten. Das ist das Wichtige, dass man mit der Community zusammenarbeitet, zusammen was aufbaut, voneinander lernt.
 

Daniela Arnu: Die wollen ja sicher auch selber stolz auf das sein, was sie geschaffen haben und nicht was hingestellt bekommen und letztlich oktroyiert bekommen, was gar nicht ihr eigenes ist. Kümmert sich dieser Verein vor allem um Mädchen und Frauen oder auch um Jungs und Männer?

Kerstin Klauditz: Wir kümmern uns tatsächlich um beide. Wir schauen immer, dass es relativ ausgeglichen ist, haben die Tendenz schon manchmal, dass wir sagen: Mensch, die Jungs sind einfach privilegierter in dem Land wie auch in anderen Ländern oft, dass wir ein paar Mädchen mehr aufnehmen.

Daniela Arnu: Das heißt ein bisschen mehr Förderung da, aber insgesamt beide. Fällt Ihnen ein Beispiel ein, vielleicht auch aus den letzten Jahren, wo Sie sagen, dafür hat es sich richtig gelohnt, dafür mache ich das einfach immer wieder gerne.

Kerstin Klauditz: Ein Beispiel ist schwierig. Es sind ganz, ganz viele Momente, die ich mit den Kindern habe, wenn ich wieder vor Ort bin und sehe, wie die Kinder sich entwickeln, wie sie wachsen. Wir begleiten sie seit über zehn Jahren. Die ersten Kinder sind jetzt fertig mit der Universität, haben den Masterstudienabschluss geschafft. Unsere Angel zum Beispiel hat ihren Bachelorabschluss jetzt gemacht. Sie ist jetzt in den ersten Jobinterviews. Worauf ich besonders stolz bin, ist auf unsere Kultur, dass wir auch Werteerziehung machen, den Kindern immer wieder sagen: „Vergesst, verlernt nie, wo ihr herkommt.“ Und wenn ich dann sehe, dass unsere Studenten sich in der Uni für soziale Bereiche engagieren und selbst auf Dörfer rausfahren und in ihrem Studenten-Dasein ihre Freizeit nutzen, um auf die Dörfer zu fahren, um Menschen zu helfen, um Kindern zu helfen, um mein Heft für ein Kind zu kaufen, das bewegt mich. Das sind so Momente, in denen ich so dankbar dafür bin, was wir machen, was wir geschaffen haben. 

Daniela Arnu:  Das klingt so, als ob Sie auch sehr viel Kraft rausziehen aus diesen Erfolgen. Und wenn wir so reden, denkt man sich: `Da sitzt mir gerade eine junge Frau gegenüber, die sehr engagiert ist für dieses Projekt. Sie ist aber auch gleichzeitig Grundschullehrerin und Mutter von zwei Kindern.´ Ihre Kinder sind drei und sechs. Wie schaffen sie das alles? Mutter reicht ja schon, Mutter im Beruf erst recht, und dann noch mal mit so einem Engagement. 

Kerstin Klauditz: Genau meine Kinder sind sehr klein noch und benötigen viel Zeit und viel Energie. Ich selbst war jetzt zweieinhalb Jahre lang alleinerziehend und INUKA hat natürlich auch Zeit und Energie von mir abverlangt. Aber andererseits hat es mir unglaublich viel Energie gegeben zu sehen, was wir da aufbauen, was wir bewirken können und wie viel man mit wenig eigentlich bewirken kann. Und ich hatte die letzten Jahre, wie auch schon mein ganzes Leben, einfach immer eine unglaublich starke Frau an meiner Seite: nämlich meine Mama, die auch jetzt gerade die Kinder betreut und unterstützt, während wir das Gespräch hier führen. Und so habe ich mich da eigentlich Stück für Stück ja durchgekämpft und es geliebt es zu leben, Mama zu sein, und andererseits eben auch gerade in diesen zweieinhalb Jahren, in denen ich alleinerziehend war, einen Kindergarten zu bauen in Tansania. 

Daniela Arnu: Weil Sie auch wissen, wie wichtig so was ist, aus eigener Erfahrung. Was ist denn Ihre Vision für die Zukunft an der Stelle? 

Kerstin Klauditz: Meine Vision ist, dass wir wirklich durch Bildung, durch freie und auch durch qualifizierte Bildung vor allem den Kindern die Chance geben, sich selbst so zu entwickeln, dass sie ihre Familien selbst aus der Armut führen können. Und unser Traum ist, es nicht nur beim Kindergarten zu belassen, sondern im nächsten Schritt auch eine Grundschule zu bauen, um noch mehr Kindern zu helfen, durch Patenschaften oder durch Partnerschulen, die wir haben, oder durch Partnerunternehmen, die eben das Ganze tragen und durch Spenden finanzieren.

Daniela Arnu: Ist Ihre Mutter, die Sie sehr unterstützt, auch Teil dieser Familie? 

Kerstin Klauditz: Meine Mutter ist besonders hervorragend im Schriftwesen-Bereich. Sie fieselt gerne alles auseinander und baut es wieder gut zusammen. Sie unterstützt da sehr und wirft mal einen Blick drüber, wenn ich Schwierigkeiten habe oder eine zweite Meinung benötige. Sie war schon selbst zweimal vor Ort und hat mitgeholfen, mit angepackt und ist schon immer eine riesengroße Unterstützung für den Verein und für mich und vor allem auch für meine Kinder natürlich. 

Daniela Arnu: Das heißt, sie ist Teil der Familie, zu der ja Ihre kleine Familie auch dazugehört. War Sie schon immer Vorbild für Sie als Frau, auch schon als Kind? 

Kerstin Klauditz: Insofern man das als Kind vielleicht miterleben kann und auch sieht. Bei mir hat sich herauskristallisiert, was für eine wundervolle Mutter sie ist und wie sehr sie uns immer in den Mittelpunkt ihres Lebens gestellt hat, als ich älter wurde - als ich selbst studiert habe, als ich Grundschullehramt studiert habe und gesehen habe, was Erziehung bedeutet. Und noch mehr gesehen habe ich, was Erziehung bedeutet, seitdem ich eigene Kinder habe, und ja, meine Mutter hat sich und ihr Leben sehr uns gewidmet.

Daniela Arnu:  Wenn wir jetzt dazu kommen, zu sagen, wir sprechen mal über die Frau in der Gesellschaft, dann ist es ja gar nicht unbedingt das Frauenbild, das heute so viel Anerkennung bekommen würde, oder? 

Kerstin Klauditz: Von der Gesellschaft muss ich sagen, da ist der Druck immer sehr hoch. Wenn man sagt, man bleibt zu Hause mit den Kindern auch für längere Zeit, dann heißt es gleich Faulpelz, was machst du denn eigentlich den ganzen Tag?

Daniela Arnu: Wobei man dazu sagen muss, es gibt auch viele, die sich das gar nicht leisten können. Also die einfach arbeiten gehen müssen. 

Kerstin Klauditz: Genau, und wenn man sich eben die Zeit nicht nimmt für die Kinder und arbeiten geht, dann ist man gleich die Rabenmutter. Also der gesellschaftliche Druck in der Richtung ist enorm hoch, und da ist es eben ganz wichtig für eine Frau, sich zu entscheiden: Was möchte ich, was kann ich leisten? Was kann ich mir mit meinem Partner dementsprechend auch leisten? Und vor allem eben Entscheidungen zu treffen, wer man als Frau sein will: Was für eine Frau möchte ich sein? 

Daniela Arnu: Das ist ein interessanter Punkt, weil das ist ja genau die entscheidende Frage, nämlich: Was für eine Frau und vielleicht auch was für eine Mutter und was für eine Berufstätige will ich sein? Haben Sie das Gefühl, dass die Frau in Deutschland, also jetzt nicht in Tansania oder in Afrika, an anderen Stellen eigentlich viel Freiraum hat, sich das auszusuchen? Also haben Sie das Gefühl, Frauen haben große Möglichkeiten? 

Kerstin Klauditz: Für mich ist es immer eine Frage der Entscheidung, wenn ich sage, ich will mit 25 ein Kind bekommen oder mit 35 ein Kind bekommen zum Beispiel, ist das einfach meine Entscheidung. Wenn ich sehe, die Immobilienpreise sind zu hoch, ich kann, wenn ich Mutter sein will und zu Hause bleiben will für drei Jahre, mir diese Immobilien nicht leisten, dann muss ich einfach die Entscheidung treffen: Bleibe ich dann da, wo die Preise so hoch sind, oder gehe ich woanders hin? Aber ja, definitiv ist der Freiraum da relativ, teilweise gering. Und es kommt natürlich auch drauf an, was für einen Partner man hat, inwiefern der Partner das mitträgt oder unterstützt. Man muss für sich selbst auch wissen, ob man das möchte, zum Beispiel als Mutter zu Hause zu bleiben. Oder eben Teilzeit arbeiten zu gehen und dann das Gehalt, das man bekommt, dann einer Krippe zu geben, damit andere meine Kinder erziehen statt ich selbst zuhause. 

Daniela Arnu: Wobei das natürlich auch immer ein Moment sein kann, wo man sagen kann, das ist auch eine Investition für die Zukunft. Also dann investiert man zwar in den Kindergarten oder in die Krippe, aber auch in das eigene Berufsleben. Haben Sie denn das Gefühl, dass also wir sprechen ja gerade darüber, dass es gar nicht so einfach ist und dass es unterschiedliche Rollenbilder von Frauen gibt und dass auch gar nicht unbedingt die Frauen untereinander so wahnsinnig freundlich miteinander sind? Aber haben Sie das Gefühl, Frauen und Männer sind gleichgestellt bei uns? 

Kerstin Klauditz: In meinen Augen sind die Hauptverantwortlichen für die Kinder immer noch die Mütter, sehr oft. Eine Gleichstellung sehe ich noch nicht. Das ist einfach faktisch so, dass Frauen in verschiedenen Berufen weniger verdienen als Männer, und trotzdem sehe ich schon, dass Frauen immer sichtbarer werden, es mehr Führungskräfte gibt und auch mehr Unterstützung für Familien, auch diesen Spagat zwischen Familie und Karriere, wo trotzdem noch ganz, ganz viel Bedarf ist und auch ganz viel noch entwickelt werden muss. Aber an sich sieht man ja auch Frauen öfter in Managerposten. Für mich in meinen Augen ist der größte Managerposten, den eine Frau haben kann, den, eine Mama zu sein: Nämlich das alles zu managen, zu Hause plus noch nebenbei vielleicht zu arbeiten. Das ist Wahnsinn, teilweise. Also jede Mama, die gerade zuhört, die kann das wahrscheinlich so unterschreiben. Das ist ein Management, das man da leisten muss, dass vielleicht nur wenige Männer tragen könnten. 

Daniela Arnu: Was könnte man denn tun? Was sind Ihre Ideen dazu, dass es eben - Sie haben gerade das Wort Spagat gesagt – dass es kein Spagat ist, sondern ein Miteinander ist. Und dass diese Verantwortung auch vielleicht mit den Vätern mehr geteilt wird und die Frau nicht ganz so belastet ist? 

Kerstin Klauditz: An sich ist es so, dass ich denke, dass die Männer und die Frauen, also die ganze Gesellschaft, das Gesellschaftsbild sich einfach ändern muss, auch dieses Negative: Eine Frau bleibt zu Hause. Es ist doch das wunderbarste von der Welt, wenn man die Chance hat, zu Hause zu bleiben und seine Kinder zu erziehen, seine Kinder wachsen zu sehen und ein paar Jahre zu Hause zu bleiben. Da muss sich das Gesellschaftsbild in meinen Augen einerseits ändern und andererseits, wenn eine Frau sagt: „Ich möchte das einfach nicht" und ein Mann übernimmt es, dann muss es einfach auch dafür Möglichkeiten geben, dass die Frauen wieder in den Beruf zurückgehen können und die Männer eben, die dann zu Hause bleiben beispielsweise, auch die Chance danach haben, eben in ihrem Beruf wieder weiterzumachen. 

Daniela Arnu: Sie sind in Elternzeit, gerade noch mit ihren Kindern. Was würden Sie denn sagen? Was ist denn am Ende, wenn man es so nennen will, eine starke Frau? 

Kerstin Klauditz: Für mich ist eine starke Frau jemand, der Vertrauen in sich selbst hat und auch Vertrauen in seine Fähigkeiten. Jemand, der Ziele und Visionen hat. Und vor allem ist es für eine Frau ganz, ganz wichtig, gerade durch das Bild der Gesellschaft, das hier und da schwierig ist, dass die Frau ihren eigenen Wert kennt und dass sie eben richtige Entscheidungen trifft für sich selbst, ohne Rücksicht auf die Gesellschaft, ohne Rücksicht auf die Kollegen, was die vielleicht sagen, sondern dass man selbst seinen Wert kennt und weiß, was für eine Art Frau man sein möchte. Und was ich ganz, ganz entscheidend finde als Stärke von Frauen: Was ist die Stärke von der Frau? Unsere Stärken sind auch, einfach mal zuzuhören, und andererseits ist die Stärke aber nicht nur zuzuhören, sondern ich sehe auch eine starke Frau, die dann einen Tatendrang hat und die eben nicht nur spricht, sondern auch die Taten sprechen lässt und ein Teil von ihrer Stärke so gesehen abgibt. 

Daniela Arnu: Ich glaube an der Stelle, das ist ein schönes Schlusswort, können wir sagen. Sie sind eine starke Frau. Sie sind ja auch dafür ausgezeichnet „Bayerns Frauen. Jede anders stark". Und Sie haben Tatendrang bewiesen, indem Sie eben nicht nur zwei Kinder gerade erziehen und begleiten, sondern eben auch den Verein, der in Tansania Kinder, Jugendliche, Familien unterstützt auf dem Weg zur Bildung. Ich sage an der Stelle ganz herzlichen Dank, Kerstin Klauditz. 

Kerstin Klauditz: Vielen Dank, dass ich hier sein durfte. 

Daniela Arnu: Vielen herzlichen Dank und Ihnen alles, alles Gute mit ihrem Projekt.

Kerstin Klauditz: Vielen Dank! 

Eine Frau sitzt auf dem Boden in einem Wohnzimmer mit ausgebreiteten Katalogen vor sich.

Für Kerstin Klauditz ist Bildung das höchste Gut. 

Eine Frau steht angelehnt an ein Sideboard in einem Wohnzimmer.

Für Kerstin Klauditz ist Bildung das höchste Gut. 

Aufgeschlagene Kataloge mit Bildern aus Afrika liegen auf einem Fußboden. Im Anschnitt ist eine Frau zu sehen, die einen Stift in der Hand hält.

Für Kerstin Klauditz ist Bildung das höchste Gut. 

Thema 1 von 3

Kerstin Klauditz: Meine Botschaft ...  

Do something that matters! Sei mutig, die Frau zu sein, die du sein möchtest. Setze deine Prioritäten auf das, was dir wichtig ist – egal, was die Gesellschaft von dir erwartet.

Der leichte Weg ist nicht immer der richtige. Sei geduldig und mutig, schwierige Entscheidungen zu treffen.

Als Geschäftsführerin ist es mir wichtig, eine Vision zu haben und ein Team zu bilden, das diese Vision teilt. Für mich liegt der Fokus darauf, eine Kultur in unserer Organisation zu entwickeln und zu schützen, bei der die Arbeit auf Augenhöhe Priorität hat.