Eine Frau steht in einer Werkstatt mit einem Zettel in der Hand.

Die Entwicklungsfreudige

Unabhängigkeit bedeutet Birgit Vogel viel. Besonders klar wurde ihr das nach einem Schicksalsschlag. Dieser trug dazu bei, dass sie sich mit Anfang vierzig beruflich neu aufstellte, um zusammen mit ihrem Mann die Leitung für den eigenen Metallbetrieb zu übernehmen. Als Chefin hat sie zwar wenig Freizeit, aber sie ist voll in ihrem Element. Ihr Geheimrezept: eine starke innere Motivation. 

Frauenvorbilder 

Birgit Vogel hat sich in ihrem Leben immer an starken Frauen orientiert. Neben ihrer Mutter und Großmutter war ihre Großtante ein wichtiges Vorbild für sie. Diese führte einen Tante-Emma-Laden im Dorf allein weiter, nachdem sie innerhalb von zwei Jahren ihren Mann und ihr Kind verloren hatte. „Sie hat dafür gesorgt, dass es weitergeht, auch wenn es nicht leicht war, und hat ihre Frau als Geschäftsführerin gestanden. Das hat mich nachhaltig beeindruckt“, erzählt Birgit Vogel, die als Kind häufig im Geschäft aushalf. Später betrachtete sie die Inhaberin eines Blumenladens, in dem sie als 18-Jährige jobbte, und eine Ärztin als ihre Mentorinnen. „Wie diese Frauen ihre Selbstständigkeit gemeistert haben, hat mir Mut gemacht.“
 

Eine Frau sitzt auf einer Ausflugsbank an einem Waldstück.

Um Abstand von ihrer Arbeit im Büro und in der Werkstatt zu bekommen, geht Birgit Vogel in die Natur.  

Der Wille, auf eigenen Beinen zu stehen 

Birgit Vogel bezeichnet sich selbst als sozialen Menschen. Mit 16 Jahren entschied sie sich für eine Ausbildung als Arzthelferin und arbeitete 15 Jahre in ihrem Beruf, der sie erfüllte. Nach der Geburt ihrer zwei Söhne legte sie zunächst eine berufliche Pause ein. Ihr Mann hatte in dieser Zeit seinen eigenen Metallbetrieb aufgebaut. Kurz bevor sie über einen beruflichen Wiedereinstieg nachdachte, erschütterte der plötzliche Unfalltod einer nahestehenden Person das Leben der Familie. Und bei Birgit Vogel ging das Kopfkino los: „Ich habe überlegt, was ich machen würde, wenn ich von heute auf morgen allein mit den Kindern dastünde“, erzählt sie. Ihr wurde bewusst, dass sie den Betrieb ihres Mannes nicht allein würde leiten können und so ihre Söhne im Alter von 12 und 14 Jahren nicht versorgen könnte. Also beschloss sie, sich das nötige Wissen anzueignen und ihr Leben zu ändern. Sie absolvierte eine Ausbildung zur Bürokauffrau, bildete sich zur Betriebswirtin des Handwerks weiter und studierte im Anschluss berufsbegleitend Betriebswirtschaftslehre. Der Wille, auf eigenen Beinen zu stehen, verlieh ihr die nötige Kraft. 
 

3 Fragen zur Rolle der Frau 

Leistungen von Frauen werden zu wenig wertgeschätzt. Die Gesellschaft muss sich selbst umerziehen: Es muss andere Vorbilder geben, und auch die Politik muss dafür sorgen, dass die Leistungen von Frauen anerkannt und auf die Rente angerechnet werden – egal, ob sie berufstätig sind oder ob sie zu Hause bleiben. Außerdem sollten bestimmte Berufe, beispielsweise in der Pflege, im Ansehen steigen. Beim Besetzen von Führungspositionen sollte die fachliche Kompetenz ausschlaggebend bleiben. Von der Quote halte ich nichts, weil das ein auferlegtes Maß ist. Am Ende landet die Nichte vom Vorstand in einer Führungsposition, und schon ist die Quote erfüllt. Das finde ich nicht sinnvoll. 

Für mich persönlich bedeutet Stärke, dass ich mein Leben so leben kann, wie ich es mir vorstelle. Dass meine Familie hinter mir steht und mir Rückhalt bietet. Das ist mein Fels in der Brandung. Bei anderen Frauen können das auch die Freunde sein oder die Akzeptanz und Anerkennung der Gesellschaft. 

Ich wünsche mir mehr Akzeptanz für die verschiedenen und individuellen Lebensformen von Frauen! Noch herrschen Rollenbilder wie dieses vor: Bleibt die Frau zu Hause, ist sie das „Hascherl“ vom Mann. Macht sie Karriere, ist sie eine emanzipierte Furie, die keine Lust auf Familie hat. Die Gesellschaft sollte jede Lebensart akzeptieren, mehr nach dem Motto: Leben und leben lassen. 

Stärker durch Wissen

Rückblickend hat jeder ihrer Abschlüsse Birgit Vogel darin bestärkt, dranzubleiben und ihr Know-how weiter auszubauen. „Bekanntes unter neuen Blickwinkeln zu betrachten, finde ich spannend und sehr bereichernd“, erklärt sie und fügt lachend hinzu: „Außerdem macht mir Arbeiten unheimlich Spaß.“ Der Wechsel vom sozialen in den betriebswirtschaftlichen Bereich stellte sie allerdings auch vor Herausforderungen. Als Arzthelferin kümmerte sie sich um die Krankheiten von Menschen, in der Betriebswirtschaft bekam sie es mit Zahlen zu tun. „Da muss man sehr diszipliniert sein und seine Emotionen raushalten. Es macht einen auch härter. Das fiel mir nicht leicht.“ Doch dann schlug sie vor, weiter vom Betrieb wegzuziehen, um durch die räumliche Entfernung auch selbst mehr Abstand zur Arbeit zu bekommen. Ihre Rechnung ging auf. Seit vier Jahren lebt sie mit ihrer Familie 30 Kilometer von der Firma entfernt, radelt häufig mit dem Fahrrad zur Arbeit und bekommt so den Kopf frei.  
 

„Privat ist privat, und Geschäft ist Geschäft. Das zu lernen, war eine große Herausforderung für mich.“
Eine Frau an einem Schreibtisch schaut auf den Computerbildschirm.

Birgit Vogel lernt immer wieder gerne Neues. 

Eine Frau läuft durch eine Werkstatt.

Birgit Vogel lernt immer wieder gerne Neues. 

Eine Frau läuft einen Feldweg entlang.

Birgit Vogel lernt immer wieder gerne Neues.

Thema 1 von 3

Empowerment durch Lernen

Häufig ist der berufliche Weg von verschiedenen Stationen geprägt. Beim beruflichen Wechsel unterstützen Beratungen und Förderungen im Bereich der Weiterbildung. Bayerns zentrales Weiterbildungsportal kommweiter.bayern.de bietet einen Überblick über die vielfältigen Qualifizierungsmöglichkeiten im Freistaat. Mit dem Weiterbildungslotsen finden Sie passende Angebote für Ihre berufliche Weiterbildung, geeignete Fördermöglichkeiten und kostenfreie Beratung – bayernweit und ganz in Ihrer Nähe. Nutzen Sie Ihre Chancen, und klicken Sie sich durch!
 

Weibliche Führung im Handwerk

Im Betrieb übernimmt Birgit Vogel die Nachkalkulation, kümmert sich um die Buchhaltung sowie um alle Personalbelange. Und sie baut zusammen mit ihrem Sohn den Marketingbereich aus. Für die ausschließlich männliche Belegschaft in der Werkstatt ist eine weibliche Chefin inzwischen normal. Die Zeiten, in denen Frauen blöde Sprüche ertragen mussten, seien vorbei. Eine wichtige Aufgabe als Führungskraft sieht Birgit Vogel darin, ihre ausschließlich männlichen Mitarbeiter zu unterstützen. „Wenn die fix und fertig von irgendeiner Baustelle kommen, dann putze ich freitags auch mal die Werkstatt“, verrät sie. Sie kennt die Abläufe dort und tauscht sich mit dem Meister und dem Team regelmäßig aus. „In der Kommunikation mit den Männern holpert es manchmal, aber im Großen und Ganzen funktioniert es gut.“ Ihre Rolle als Chefin bedeutet für sie allerdings auch Verzicht auf Freizeit. „Wenn wir ein Personalproblem haben, fahren mein Mann und ich nicht in den Urlaub.“ Das Zurücksetzen von eigenen Bedürfnissen müsse man beim Schritt in die Selbstständigkeit einkalkulieren. 
 

Eine Frau steht in einer Werkstatt an einer Werkbank angelehnt.

Birgit Vogel packt in der Werkstatt auch mal mit an. 

Persönliche Erfolgsstrategien

Höher, schneller, weiter – dieses Leistungsprinzip liegt Birgit Vogel fern. Ihr ging es in ihrer persönlichen Entwicklung stets darum, Schritt für Schritt weiterzukommen und offen zu bleiben für Veränderung. „Manchmal bedeutet ein Schritt nach vorne vielleicht zwei Schritte zurück. Aber es lässt sich immer irgendeine persönliche Erkenntnis daraus ziehen.“ Was für sie zählt, ist ihr Bauchgefühl und das, was sie sich vorgenommen hat. Als sie mit Anfang vierzig die Weiterbildung zur Betriebswirtin machte, begegnete sie Vorbehalten von jüngeren Kursteilnehmenden mit Gelassenheit. „Ein 30-jähriger Kollege konnte gar nicht verstehen, weshalb ich das noch mache. Das habe ich an mir abprallen lassen.“ Entscheidend für sie war, dass es für sie genau der richtige Zeitpunkt war. 
 

Eine Frau schaut durch ein Fenster und lächelt.

Birgit Vogel findet, dass es sich lohnt, in die Selbstständigkeit zu investieren. 

Traditionelle Rollenbilder im Wandel? 

Birgit Vogel hält einige Frauen heute für weniger emanzipiert als ihre Mutter. Obwohl diese von ihrem Mann noch eine Unterschrift brauchte, um den Führerschein machen zu können, packte sie mit an und verfolgte ihre Ziele. „Ich habe den Eindruck, heute gibt es wieder mehr Frauen, die möchten, dass der Mann für sie sorgt“, schildert sie ihre Beobachtung auf dem Land. Damit verbunden sei häufig auch eine Arroganz gegenüber sozial schwächer gestellten Frauen. Das erschreckt Birgit Vogel eher. Gleichzeitig fällt ihr auf, dass immer mehr Frauen ins Handwerk kommen. „Das sind zwar Einzelfälle, aber da tut sich was. Ich ziehe vor jeder Frau, die Schreinerin wird oder sich für einen anderen Bereich im Handwerk entscheidet, den Hut.“ Frauen, die ihr Leben selbst lenken, bewundert sie nach wie vor. Diese Form von Unabhängigkeit findet sie erstrebenswert. 
 

„Frauen sollten stolz auf das sein, was sie machen, und nach Vorbildern Ausschau halten, die ihnen Mut machen.“